Rollo machte sofort
Ernst mit seinem Plan, sich mit Popa zu
verheiraten. Er rief seine Jarle zusammen und
erhielt deren Zustimmung. Dann geschah die
Trauung in aller Festlichkeit vor Zeugen und
Rollo sprach ihr Eigentum zu und gab seinen
Handschlag darauf - ja, sie begriff nicht die Hälfte,
aber die Jarle klopften auf ihre Schilde und
nickten beifällig. Denis erklärte ihr, sie hätte
eine gute Heirat gemacht, auch wenn manche von
Rollos Versprechungen schwer zu halten sein würden.
Auf diese Weise hatte sie Bayeux als Morgengabe
bekommen. Das beinhaltete, sie würde Einkommen
von der Grafschaft Bayeux haben, wenn Rollo sich
abwenden sollte. Denis gab keinen weiteren
Kommentar, Popa begriff jedoch: es war am
sichersten, wenn Rollo lebte und wenn Bayeux in
der Hand der Normannen verbleiben würde ... Von
der Stadt selbst war ja nicht viel zu holen!
Wenngleich Botho versprach, sie wieder
aufzubauen?
Selbstverständlich musste all das mit einem
ordentlichen Fest gefeiert werden. Dieses Mal saß
Popa dicht neben Rollo im Hochsitz und wurde gebührend
geehrt. Einen schweren Goldschmuck ließ Rollo über
ihre Brust hängen. Der war mit einem so reichen
Muster verziert, wie sie es vorher nie gesehen
hatte. Auf ihre Frage antwortete Rollo, er wäre
von der Kaiserin von Byzanz getragen worden. Wie
er in seinen Besitz gekommen war, darauf wollte
er nicht näher eingehen. Sie musste sich
hineinfinden, auf Frei und Frigga zu trinken, dafür,
dass sie selbst sie auf die Heilige Jungfrau mit
ihr anstoßen ließ. Bemerkenswerter war das mit
der kleinen Statuette, die auf ihren Platz
gestellt wurde. Es wurde gesagt, das Bild würde
den Gott Frei darstellen. Der Holzgötze hatte
einen spitzen Helm, sonst war der Mann nackt. Die
halbe Höhe der hockenden Gestalt bestand aus
einem steifen Phallus, der aufrecht zwischen
seinen gespreizten Schenkeln herausragte. Der
Sinn des imponierenden männlichen Gliedes war es
nun, dass Popa es mit Fett schmieren musste, und
Rollo nahm ihre Hand und zeigte, wie sie tüchtig
reiben sollte, dann gab Frei der Ehe gute
Fruchtbarkeit.
"Ist das nicht ein bisschen zu spät
gedacht?", meinte sie lachend. "Ich
glaube, es hat bessere Wirkung, wenn ich es mit
dir so mache!"
Aber Rollo verfinsterte sich.
"Ich lache nicht über deine Götter, dann
sollst du nicht über meine lachen!"
Ein kleiner Alter, auf den sie vorher nicht
geachtet hatte, nahm das Gottesabbild von ihr und
stellte es vor eine von den anderen Frauen. Während
die Frau ihre Pflicht tat, war der Alte bei einem
Wandschrank und holte mehr Statuetten. Rollo
bemerkte, wohin sie sah, und erklärte:
"Die sollen eigentlich in einem besonderen Götterhaus
stehen, aber hier im Lande wollte ich sie nicht
der Neugier der Fremden oder ihrem Lachen
aussetzen. Also mussten sie im Schrank stehen.
Nun hat der Gode mir geklagt, ich hätte den Göttern
zu wenig Ehre erwiesen, seit ich hierher gekommen
bin, und deshalb lasse ich ihn deren Abbilder
hervorholen. Das war das geringste, was ich tun
konnte, meine ich."
Popa verstand, Rollo war immer noch zornig darüber,
dass sie gelacht hatte.
"Verzeih meine Unkenntnis", bat sie.
"Es ist dein Fehler, dass du mich nicht
unterwiesen hast. Und nun sollst du erzählen,
was ein Gode ist."
"Der Gode ist unser Priester. Er opfert, das
heißt, er bereitet den Göttern unsere Opfer.
Und er ist es, der all die alten Geschichten
kennt und auf die heiligen Gesetze achtet. Nun
hatte er beim Heer so wenig zu tun gehabt, dass
er begann misslaunig zu werden und mich zu
beschuldigen, ein Abtrünniger zu sein -
besonders jetzt, nachdem ich mir eine
Christenfrau genommen habe. Missvergnügen sät
er auch unter meinen Männern, weshalb ich auf
der Hut sein und ihn predigen lassen muss. Sonst
..."
Popa nickte, sie glaubte verstanden zu haben.
"Und du selbst?", wollte sie wissen.
"Glaubst du nicht an das, was der Gode tut?"
Er spitzte die Lippen.
"Schwer zu sagen. Ich antworte auf dieselbe
Weise, wie ich es über die Taufe tat: es kann
niemals schaden. Aber so viel kann ich wohl
sagen, unsere Götter sind nicht so gierig wie
eure nach Opfern und Gebeten. Ich glaube, sie
denken, es ist am besten, wenn wir sie nicht zu
oft belästigen."
"Wir Christen haben nur einen einzigen Gott",
wandte Popa ein.
"Geschwätz! Ihr habt mindestens drei, um
mit dem Vater, dem Sohn und dem heiligen Gast zu
beginnen", - Rollo zählte mit den Fingern
der rechten Hand ab, "- dann ist da noch
Maria und Petrus und ..."
"Stopp, stopp", unterbrach Popa ihn
lachend, "Maria und Petrus sind keine Götter,
sie sind Heilige! Und vom Heiligen Geist heißt
es, - und er ist eins mit dem Vater und dem Sohn
in der dreieinigen Göttlichkeit, die ..."
"Ja, ja, ich habe das schon gehört, aber
der Unterschied ist wohl nicht so schrecklich groß.
Wie auch immer: jetzt trinke ich auf sie alle,
auf die Götter und Heiligen der christlichen
Seite. So werden sie nicht gram darüber sein,
dass der Gode ein bisschen opfert."
Der Gode hielt sich an einem großen Kessel vorn
am Herd auf. Popa beobachtete ihn und dann
streifte sie eine Erinnerung.
"Ich glaubte nicht, den Gode früher gesehen
zu haben, aber war er nicht draußen auf der
Wiese dabei, als wir uns trauten? Bestimmt war
das derjenige, der hinter der Reihe auf und ab
ging und nicht dabei zu sein scheinen wollte?"
Rollo grunzte.
"Mm, stimmt ... Er wollte dabei sein und über
unsere Ehe lesen, aber dazu sagte ich glatt nein.
Kein Priester, weder ein christlicher noch ein
freitreuer soll sich in meine Trauung einmischen
dürfen! Da kommen sie schnell auf den Gedanken,
zu herrschen und verbieten und erlauben zu können.
Wie euer Papst. Am meisten ärgerte es mich
jedoch, dass er versuchte, meinen Jarlen
einzutrichtern, ich könnte dich nicht anders,
denn als Geliebte haben, weil deine Verwandten
ihre Zustimmung nicht gegeben haben und du keine
Mitgift hattest. Ich musste sie erinnern, bereits
genug Mitgift von deinem Vater genommen zu haben."
Ja, sie hatte an die Mitgift gedacht, sie auch,
aber im Stillen genauso gedacht wie er.
"So war es das, weshalb er so böse Blicke
auf mich warf, als er die Götterfiguren holte!"
"Wahrscheinlich. Weshalb du ihn vorher nicht
gesehen hast, beruht darauf, dass er gerade in
diesen Tagen aus der Gefangenschaft bei den
Franken zurückgekommen ist. Er wurde oben bei
Laon gefangen genommen, und dort musste er sich
versprochen haben, weil er in einem Kloster
gefangen gehalten wurde, wo sie alles getan
hatten, ihn zu bekehren." Rollo lachte:
"Ich erfuhr es, als ich ihn neulich auslöste."
"Aber, weshalb ist er so böse auf dich,
wenn du ihn nun freigekauft hast und alles?"
"Er meint, ich habe ihn allzu lange gefangen
sitzen lassen. Und da kann ich ihm zustimmen; hätte
ich ihn sofort ausgelöst, würde er nicht so
viele Grillen in den Kopf bekommen haben. Der
Unterschied zwischen uns Asagläubigen und euch
Christen ist zuerst der, dass ihr argsinnige
Priester und Mönche habt - die finden immer
etwas, um darüber zu streiten, was den einen
heiliger macht als den anderen! Nun hat unser
kleiner Gode schlechte Lehren bekommen."
Popa dachte eine Weile unter Schweigen darüber
nach. Vielleicht hatte er Recht - keiner hatte
versucht, ihr den Glauben der Normannen
aufzuschwatzen, seit sie nach Rouen gekommen war,
nicht einmal Rollo. Er hatte sie gelassen und
schweigend zugeschaut, wenn sie ihre Gebete
morgens und abends gesprochen hatte. Wenn es
jemand war, der sich mit Bekehrungsversuchen
beschäftigt hatte, so war das wohl sie! Wiewohl
ihr Hauspriester nicht gemeint haben würde, sie
hätte sich über Gebühr angestrengt.
"Was hat der Gode vor und was kocht er dort
vorn?", wunderte sie sich.
Rollo seufzte.
"Er opfert Thor ein Pferd", antwortete
er dumpf. "Das kann wohl nicht schaden, aber
er hätte eine andere Gelegenheit gewählt haben
können als gerade heute."
Der Gode kostete und schmatzte. Hielt eine
Statuette über die Dämpfe und murmelte; das
musste wohl für Thor sein. Dieses Mal würde
Popa versuchen, sich das Lachen zu verkneifen!
Plötzlich wandte sich der Gode um und rief Rollo
und den anderen etwas zu; was, gelang Popa nicht
zu verstehen. Alle erhoben sich und nahmen ihre
Brotteller mit sich.
"Es bedeutet, dass wir nun alle zusammen ein
Stück vom Opferfleisch bekommen", erklärte
Rollo. "Gut, wenn du mir folgst, aber du
brauchst nichts essen, wenn du nicht willst."
Nein, wahrscheinlich nicht! Sie schaute sich nach
Bothos fränkischer Frau um, konnte sie aber
nirgends sehen. Vielleicht hatte sich Adéle
hinausgeschlichen, um dem zu entgehen? Das war
schade; Popa hätte ihre Stütze gebraucht - und
zumindest hatte Popa sehen wollen, wie sich Adéle
bei einer solchen Gelegenheit aufführte.
Popa beschloss, auf ihrem Platz zu bleiben. Zum
Opferkessel vorzugehen und zu heucheln, das
konnte sie nicht. Es war besser, sie stand offen
zu ihrer Weigerung, Heidenopfer zu essen. Muss
ich deshalb eine Märtyrerin werden, so geschehe
Gottes Wille, und sie fühlte sich wie Santa
Agatha!
Rollo kehrte verbittert zu seinem Platz zurück.
Er musste verbittert sein! Sie sah, wie die
anderen auf sie und den leeren Brotteller vor ihr
schielten.
"So, das bisschen konntest du nicht für
mich tun", sagte er und kratzte Fleisch vom
Knochen ab.
"Wenn du aus Angst vor deinen Jarlen opfern
musst, obwohl du nicht willst, so ist das deine
Sache", antwortete sie hart. "Ich habe
nicht versprochen, deine Götter anzubeten, nur,
nicht über sie zu lachen. Verleite mich jetzt
nicht dazu, über meinen Mann zu lachen - ich bin
jedenfalls Grafentochter, wenn es auch so
gekommen ist, dass ich in deinem Bett gelandet
bin. Ein bisschen Stolz habe ich trotz allem. Und
vielleicht nehme ich mein Christentum ernster als
du deinen Glauben."
Er haute den Pferdeknochen auf den Tisch, sodass
es bis zu ihr aufspritzte.
"Ich bin von dänischem Königsgeschlecht",
zischte er, "und habe keine schlechteren
Ahnen als du."
"Ha, ha! Von dänischen Königen gibt es
dreizehn auf ein Dutzend - und was weißt du
über meine Ahnen! Du würdest nicht mal einen
Stammbaum erkennen, wenn du einen sehen würdest."
Ja, so hatten sie ihren ersten Streit, und das
sogar während des Hochzeitsmahls.
Sie trank von ihrem Wein, um ihren Zorn zu
stillen. Sie hatte bereits mehr getrunken, als
sie sollte. Das Geraune der Umsitzenden hatte
sich gelegt; alle wollten ja den Wortwechsel der
Neuvermählten hören. Aber es war wohl nicht
viel, was sie auffangen konnten, weil Rollo und
Popa trotz allem ausreichend nüchtern waren, um
nicht laut miteinander zu zanken. Wem der
Wortwechsel galt, konnten sie alle jedoch erraten.
Und der Gode fühlte den Mut steigen, als er in
Rollos zorniges Angesicht sah. Zuletzt wurde er
übermütig. Er sprang nach vorn und stellte sich
mitten vor Popa, zeigte mit gestrecktem Arm auf
sie und führte die wildesten Beschwörungen aus.
Alle saßen versteinert und sperrten den Mund
angesichts der laut tönenden Verwünschungen des
Goden auf. Rollo auch – wenn auch nicht so
lange. Langsam erhob er sich aus seinem Hochsitz
und stieg über den Tisch, gleichzeitig, wie er
sein Schwert aus der Scheide zog. Der Gode
verstummte mitten in einer Beschwörung und wich
zurück. Das passte Rollo vortrefflich, weil es
ihm genügend Raum gab auszuholen, ohne dass er
dem Goden nachsetzen musste. Blitzschnell flog
das Schwert von der linken Hüfte, schnitt den
Kopf des Goden im Schwung ab und hatte so gut
gezielt, dass der Kopf des Goden mit einem
Platsch im Opferkessel landete.
Rollo ging zum Herd vor, tauchte das blutige
Schwert in die kochende Brühe und wischte es
dann an der Hose der Leiche sauber.
"So", brüllt er und steckte das
Schwert wieder in die Scheide, "nun bin ich
hiernach selbst der Gode. Den, welchen wir
hatten, opfere ich hiermit Odin, leider kopflos -
aber Odin hat ja bereits einen abgehauenen Kopf
mit mehr Verstand darin als in dem, welchen Thor
jetzt bekam. Soweit hier nicht jemand ist, der zu
krähen fortsetzen will, wo der vorige Hahn
aufgehört hat?"
Er sah sich unter den auf den Bänken Sitzenden
um, aber es war keiner, der die Augen von ihm
nahm, und keiner, der antwortete. Dann wandte er
sich an Popa.
"Mein Weib bitte ich um Vergebung, gerade
heute Göttern geopfert zu haben, die nicht ihre
sind. Ich verspreche, es wird nie wieder in ihrem
Angesicht geschehen. Und nun Hausdiener, seht zu,
dass hier auf dem Fußboden gewischt wird.
Speiseburschen, tragt den Kessel heraus!
Kellerburschen, seht zu, dass es nicht im Horn
und Becher fehlt! Hier wird jedenfalls Hochzeit
gefeiert!"
Er kehrte zu seinem Platz auf dem gleichen Weg
zurück, auf dem er ihn verlassen hatte.
"Ich werde dich nie wieder feige schimpfen",
versprach Popa.
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